Geschichte von Schloss Wittgenstein
Spricht man von der Geschichte des Schlosses Wittgenstein, geht es auch um die Reste einer etwa 600 m umfassenden Ringanlage oberhalb der heutigen Schlossanlage. Diese als „Alte Burg“ bezeichnete Stätte ist das älteste Bauzeugnis auf dem Burgberg der Grafen von Wittgenstein und stammt wahrscheinlich aus den letzten vorchristlichen Jahrhunderten. Damals begann die Eisenverhüttung im Siegerland.
Funde lassen darauf schließen, dass an jener Stelle noch in der Zeit der Sachsenkriege (7. Jahrhundert nach Chr.) eine befestigte Wallanlage als fränkische Grenzbefestigung gegen die noch nicht christlichen Sachsen bestanden hat. Mit deren Niederlage gegen die Truppen Karls des Großen verlor die Befestigung allerdings an Bedeutung und verfiel.
Als die Chatten aus der übervölkerten Hessischen Senke in das nördlich gelegene Bergland vorstießen, gehörte das Gebiet rund um das seit dem 8. Jahrhundert bekannte „Lassafa“ („Lachswasser“ – Bad Laasphe) zum hessischen Einzugsgebiet. Das heutige Sauerland fiel in den Einflussbereich der Erzbischöfe von Köln (Kurköln). Demnach bot das Wittgensteiner Land am Fuße des Rothaargebirges eine gute Ausgangslage, um eine eigenständige Herrschaft zu errichten.
Um 1100 nach Chr. überschritten die Vorfahren der späteren Wittgensteiner Grafen von Norden her die Grenzscheide des Rothaargebirges. Sie legten auf dem schon einmal befestigten Berg eine neue Burg mit dem Namen „Wedigenstein“ an. Wahrscheinlich handelten sie als Vögte des 1072 von Erzbischof Arno von Köln gegründeten Benediktinerklosters Grafschaft. Das Wappen derer zu Wittgenstein zeigt noch heute das des Klosters (schwarze Pfähle auf silbernem Grund).
Der erste urkundlich erwähnte nach der Burg Wittgenstein benannte Graf ist „Comes Wernerus de Widechinstein“. Am 24. Februar 1174 tritt er in einer von Kaiser Friedrich I „Barbarossa“ bestätigten Urkunde als Bürge des Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen auf. Häufig nennt er sich aber noch mit seinem eigentlichen Namen: Graf Werner von Battenberg.
„Comes Wernerus de Widechinstein“ findet man 1180 auch im Gefolge Barbarossas in Gelnhausen. Dort werden dem welfischen Sachsenherzog Heinrich dem Löwen etliche Besitztümer aberkannt. Das neu gegründete Herzogtum Westfalen erhält der Erzbischof von Köln. Seither besteht eine unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Erzbistum Köln und der Grafschaft Wittgenstein. Weil es damals üblich ist, sich unter den Schutz eines Mächtigeren zu stellen, übergibt Werner von Wittgenstein seine Burg an den Erzbischof von Mainz und erhält sie von ihm als Lehen zurück.
1238 findet nach dem Tode Widekinds eine Erbteilung unter den Söhnen statt. Siegfried (1238-83) erhält den Wittgensteiner Teil und nennt sich fortan Graf von Wittgenstein. Sein Bruder Widekind bekommt den Battenberger Teil. Von nun an ist es wichtig, sich gegen die mächtigen Nachbarn, das Erzbistum Köln, das Erzbistum Mainz und die Landgrafschaft Hessen zu behaupten.
Graf Siegfried zieht es am Ende vor, statt mit dem Erzbistum Mainz doch mit der Landgrafschaft Hessen zusammen zu arbeiten. Der Druck der Mainzer ist zu groß. Weil nach Süden hin kein Landgewinn mehr zu erwarten steht, wenden sich die Wittgensteiner Grafen (Friedrich II) nach Norden. Sie bekommen die Ortschaften Berneborgh (Berleburg), Irmgardtenbrucken (Erndtebrück) und Richstein in ihren Besitz. Als Friedrich II 1359 ohne einen Sohn als möglichem Nachfolger stirbt, gerät die Grafschaft unter den Druck der Nachbarn. Seine Tochter Adelheid heiratet dann aber Salentin von Sayn aus dem Hause Homburg (gest. 1391). In den folgenden Jahren kommt es zu mehreren Fehden, unter denen das „Ländchen“ sehr zu leiden hat.
Mit der Erbvereinigung Georgs I von Sayn Graf von Wittgenstein (gest. 1469) mit dem Landgrafen Ludwig I von Hessen und dem Lehnsvertrag des Grafen Eberhard von Sayn-Wittgenstein bindet sich Wittgenstein bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im August 1806 unabänderlich an Hessen. 1509 stirbt Graf Eberhards Ehefrau. Landgraf Wilhelm von Hessen vermittelt in den folgenden Erbstreitigkeiten: Eberhards Sohn Wilhelm erhält die Südgrafschaft mit Laasphe, sein jüngerer Bruder Johann die Herrlichkeit Berleburg, die spätere Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Berleburg.
1534 erscheint die Luther-Bibel in deutscher Sprache. Im selben Jahr kommt Margarethe von Henneberg nach Berleburg und heiratet unter hessischer Vermittlung Graf Johann VII von Wittgenstein. Als Gräfin Margarethe von Wittgenstein beginnt sie die Grafschaft Wittgenstein zu reformieren. Weil die Ehe kinderlos bleibt, übernimmt später Graf Wilhelm der Ältere aus Laasphe auch die Berleburger Grafschaft. Seine Gattin Johannette zu Isenburg-Grenzau gewinnt ihn für die Lehre Luthers. 1555 erlässt Graf Wilhelm die Wittgensteiner Kirchenordnung. Wittgenstein wird endgültig reformatorisch.
Sein Sohn Ludwig von Sayn, Graf zu Wittgenstein wird Alleinerbe. Er vereinigt Wittgenstein, Berleburg, Homburg, Vallander und Neumagen an der Mosel – die Mitgift seiner Mutter – wieder zu einer einzigen Grafschaft Wittgenstein. Ludwig der Ältere hat an verschiedenen europäischen Universitäten studiert, ist ausgesprochen gebildet, bekleidet wichtige Ämter und bietet religiösen Flüchtlingen in Wittgenstein Asyl. Zwei Jahre vor seinem Tod wird die Grafschaft 1603 in Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Sayn-Wittgenstein-Wittgenstein geteilt. Die Trennung dauert bis 1803.
Sein Sohn Ludwig der Jüngere (gest. 1634) macht den alten Stammsitz wieder zur Residenz. Im 30jährigen Krieg muss er sein Land verteidigen. Die Bevölkerung bringt Opfer. Einquartierungen und Beschlagnahme sind an der Tagesordnung. Hinzu kommt die Pest.
1634 wird Schloss Wittgenstein von feindlichen Truppen besetzt, geplündert und stark beschädigt. 1637 wird das Vorwerk Ludwigseck zerstört. Von den Söhnen kehrt nur Johann VII aus dem Krieg zurück. 1634 übernimmt er die Regierungsgeschäfte, ihn hält es aber nicht lange in Wittgenstein, er zieht in die Mark Brandenburg und wird dort deren Statthalter. Er erwirbt sich hohe Verdienste bei den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück. Friedrich Wilhelm I, der Grosse Kurfürst, belohnt ihn mit der thüringischen Grafschaft Hohenstein, die aber 1710 wieder an Preußen fällt. Johann VII selbst stirbt 1657 in Berlin.
Danach wird es vorübergehend ruhiger in Wittgenstein. Graf Henrich Albert zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1698-1723) und Graf Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1712-1741) üben religiöse Toleranz und machen Wittgenstein mit Schwarzenau an der Eder zur Zuflucht für Glaubensflüchtlinge.
1719 wird August neben Graf Henrich Albert Mitregent. 4 Jahre später übernimmt er die Alleinherrschaft. 1725 bricht unter ihm der Aufstand der Bauern von Elsoff, Beddelhausen und Alertshausen aus. Sie rebellieren gegen die Leibeigenschaft. Mit Hilfe Nassauisch-Dillenburger Soldaten werden sie nieder geschlagen. 7 Bauern und eine schwangere Frau sterben.
Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) stürzt die Grafschaften Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Sayn-Wittgenstein-Berleburg wieder in äußerste Not. In den Napoleonischen Revolutionskriegen kann Graf Wilhelm Ludwig Georg als preußischer Gesandter die Franzosen durch Verhandlungen von Wittgenstein fernhalten. 1804 wird er wie auch sein Bruder Friedrich gefürstet. Aber schon 2 Jahre später endet die Selbständigkeit seines Fürstentums. Nach 10jähriger Zugehörigkeit zu Hessen-Darmstadt wird Wittgenstein auf dem Wiener Kongress (1814/15) Preußen zugesprochen.
Wie Wittgenstein-Hohenstein kommt auch Wittgenstein-Berleburg zur neu gebildeten Provinz Westfalen. Verwaltungssitz des neuen Kreises Wittgenstein wird Berleburg.
In Bad Laasphe richtet Josef Kämmerling 1954 auf Schloss Wittgenstein ein Internat mit Knabenrealschule ein. Fünf Jahre später kommt ein Gymnasium dazu. Erst 1974 dürfen auch Mädchen die Schulbank in den alten fürstlichen Gemäuern drücken. Ebenfalls 1974 öffnet sich das Institut Schloss Wittgenstein externen Schülern und Schülerinnen. Heute sind Schüler und Schülerinnen aus Bad Laasphe und den hessischen Nachbarkommunen gegenüber den Gästen des Internates eindeutig in der Mehrheit.
2002 erwirbt die Familie Kämmerling die gesamte Schlossanlage. Wegen des starken Zuspruchs wird heute nicht nur in den Schulräumen, sondern auch wieder in einigen Bereichen des Schlosses unterrichtet.